Deutschlands ältester Schwimmlehrer: Auch mit 100 macht Leo noch alle nass

Von: Von K. WINDMAISSER und M. HERRMANN (Fotos)

Der Berliner Leopold Kuchwalek ist Deutschlands ältester Schwimmlehrer. Unsere Reporterin traf einen Mann, der mit allen Wassern gewaschen ist und der mit 100 Jahren immer noch gegen den Strom schwimmt.

Berlin, um 1930: Bertolt Brecht hat gerade die „Dreigroschenoper“ fertig geschrieben, „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich feiert seine Uraufführung am Ku’damm und der junge Leopold Kuchwalek geht „Damen kieken“ im Charlottenburger Stadtbad.

„Immer sonnabends zogen wir los. Was trugen sie für herrliche Badeanzüge, das war ein gefundenes Fressen!“, erinnert sich Herr Kuchwalek daran, wie er die Liebe entdeckte. Die zu den Frauen und die zum Schwimmen.

Der heute Hundertjährige, geboren am 18. April 1917, ist der wohl älteste Schwimmlehrer Deutschlands und immer noch in seinem Element. Das Wasser betreffend und nicht die Flirtkunst, versichert er.

Die galt bald nur noch seiner großen Liebe Hildegard († 94). Unglaubliche 73 Jahre waren die beiden verheiratet, bis Hilde vor zwei Jahren starb. „Bevor sie für immer einschlief, hab ich ihr noch alle Liebesworte gesagt, die es gibt. Mann, die konnte küssen wie keine Zweite, lachen und wunderbar Walzer tanzen“, sagt Herr Kuchwalek.

Mit der Serviette vom Kaffeetisch, den er für den BILD am SONNTAG-Besuch liebevoll eingedeckt hat, muss er sich jetzt ein bisschen über die Augen wischen, ehe er weitersprechen kann.

Auch wenn es für ihn nur Hilde gab: Die jungen Damen liegen dem Senior immer noch zu Füßen. Vorhin tauchten sogar zwei unter ihm durch. Die zehnjährige Laura und die sieben Jahre alte Sophia gehören zu einem seiner Schwimmkurse, die der 100-Jährige seit über 34 Jahren ehrenamtlich gibt.

Sie lieben ihren Leo, wie sie ihn nennen: „Er ist einfach toll, lustig und hat großes Talent“, sind sich die Mädchen einig. „Und ich hab noch nie einen gesehen, der 100 ist. Cool!“, findet Laura.

„Wat, cool?“ Mit der Jugendsprache hapert es bei Leo, der noch Worte wie „Omnibus“ oder „Trottoir“ benutzt. Er hat zwei Kinder (67 und 70), aber keine Enkel.

„Leider“, bedauert er, „aber ich hab ja meine Kleinen im Kurs.“ Seine Schützlinge halten ihn fit. Sie haben ihm „High Five“ zur Begrüßung beigebracht, „und ich hab ihnen gezeigt, was ’ne Arschbombe ist“, grinst der Hundertjährige wie ein Schuljunge, der etwas Verbotenes gesagt hat.

Dabei scheinen ihm Verbote nicht sooo viel auszumachen. Mit einem Hechtsprung hüpft der Hundertjährige direkt neben dem Schild „In das Becken springen ist verboten!“ ins Wasser.

„Irgendwie muss ich ja reinkommen“, kommentiert er trocken. Die Kinder, die dank ihm tauchen, gleiten und kraulen gelernt haben, schätzt er auf mehrere Tausend. „Einer hat mal geschrieben, es seien 10 000, ich denke höchstens 9999“, sagt Leo.

Leopold Kuchwalek mag alt sein, sehr alt, aber Humor hat er und altmodisch, das ist er wirklich nicht! Die Dame im Burkini aus der Schwimmgruppe vorher könne doch anziehen, womit sie sich wohlfühlt“, meint er. „Ob Badeanzug, Bikini oder ganz nackig – jeder wie er will“, ist seine Meinung. „Jawohl!“

Seit 40 Jahren ist der ehemalige Ingenieur in Rente und könne, so sagt er, jetzt eigentlich das machen, was er früher als Lehrling bei der AEG und dann als sein eigener Herr nicht geschafft habe: Faulenzen. Aber warum sollte er, fit wie er ist?!

43 Jahre in Folge hat er das Sportabzeichen in Gold gemacht, erst ein Herzinfarkt vor 15 Jahren stoppte ihn vor den ganz großen Leistungen.

„Jetzt muss ich sechs halbe Tabletten am Tag nehmen. Wofür weiß ich gar nicht genau. Hat der Arzt so gesagt“, erzählt Leopold. „Dafür sehe ich prima und höre wunderbar.“ Wie bitte???

Bis zu diesem Teil des Gesprächs brüllte unsere im siebten Monat schwangere Reporterin jede Frage extra laut, in der unverschämten Annahme, ein 100-jähriger Herr höre nun mal nicht mehr gut.

„Aber warum sagen Sie denn nichts, ich schreie Sie doch schon den ganzen Tag an?“ Der ältere Herr: „Ich hab mich schon gewundert, dachte, das liegt an Ihrem Zustand.“

Gut, lieber seriös weiter: „Haben Sie schon mal über den Tod nachgedacht, Herr Kuchwalek?“

„Wozu? Das Leben macht mir viel zu sehr Spaß! Ein bisschen möchte ich schon noch weitermachen.“

Und gibt es noch große Ziele im Leben? „Also morgen muss ich mal den Rasen mähen und die Regenrinnen, die sollte ich auch sauber machen.“

Na und nächste Woche, logisch, ist natürlich wieder Schwimmkurs und seine Kinder warten auf Leo, den Hundertjährigen, der ins Wasser stieg und schwamm und schwamm und schwamm.

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