Namen & Neues

Wo Not herrscht, muss geholfen werden: Das Rote Kreuz sieht weiterhin Bedarf für neue Flüchtlingsunterkünfte

Veröffentlicht am 05.09.2019 von Boris Buchholz

Das Rote Kreuz sieht weiterhin Bedarf für neue Flüchtlingsunterkünfte im Berliner Südwesten. In den beiden neuen Flüchtlingsunterkünften im Bezirk sind Plätze frei, dennoch wird eine neue Unterkunft in Nikolassee gebaut, in Lichterfelde und Zehlendorf sind zwei weitere in Planung. Zur aktuellen Unterbringungssituation im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf äußerte sich Holger Höringklee vom Deutschen Roten Kreuz. Er ist der Geschäftsführer der DRK Berlin Südwest gGmbH, die zwischen November 2017 und Januar 2019 das Flüchtlingsheim in der Finckensteinallee in Berlin-Lichterfelde betrieb.

Herr Höringklee, die neuen Flüchtlingsunterkünfte im Bezirk sind nicht voll belegt. Macht es denn dann noch Sinn, neue Unterkünfte zu bauen? Zum Teil laufen für bestehende Einrichtungen die Nutzungsfristen ab. Nehmen wir das Containerdorf in der Finckensteinallee: Da gibt es nach meinem Kenntnisstand nur bis zum Frühjahr nächsten Jahres mit dem Bundesarchiv eine Nutzungsvereinbarung. Wenn für eine Vielzahl von Einrichtungen die Nutzungsrechte oder die Betriebsgenehmigungen in naher Zeit ablaufen und die Container abgebaut werden müssen, dann müssen die Menschen an anderen, an neuen Standorten untergebracht werden. Wenn man den jüngsten Informationen glauben darf, die ich aus dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten erhalten habe, dann gibt es dort einen genauen Überblick darüber, wo Nutzungen auslaufen – und es gibt eine Anzahl von Plätzen, die dadurch wegfallen. Demgegenüber stehen knappe Plätze in den geplanten und in Bau befindlichen Unterkünften.

Wir brauchen also neue Gebäude, in denen geflüchtete Menschen leben können? Ja, ich glaube an das Gute, ich glaube daran, dass es einen Überblick über die Zahlen gibt und dass die Zahlen ordentlich berechnet sind. Ich glaube, dass neue Unterbringungsplätze benötigt werden.

Ich höre immer wieder Befürchtungen, dass der Betrieb der Container-Bauten am Hohentwielsteig, am Ostpreußendamm oder an der Finckensteinallee verlängert werden könnte. Was ist Ihre Meinung? Das wäre nicht sinnvoll. Die Qualität der Container an der Finckensteinallee zum Beispiel ist insbesondere in den Sommermonaten schwer zumutbar. Das Containerdorf hat tatsächlich den Charakter einer geschlossenen Anstalt und eines Lagers.

Das DRK Südwest war zu Beginn der Betreiber der Einrichtung … Und wir würden sie jederzeit wieder übernehmen, weil wir in der Lage sind, so eine Einrichtung trotzdem menschenwürdig zu betreiben. Aber: Die Container in der Finckensteinallee gewährleisten keine dauerhafte und angemessene Unterbringung.

Die Heime in der Leonoren- und Bäkestraße sind seit April eröffnet. Ist es für Sie nachvollziehbar, dass dort nur um die 80 Prozent der Plätze belegt sind? Nicht wirklich. Wenn ich den Willen habe, diese Einrichtungen zu belegen, dann kann ich sie mit Sicherheit relativ schnell füllen. Zum Beispiel mit Familien mit Kindern, die zur Zeit noch in der Finckensteinallee leben – das wäre wichtig, damit die Kinder weiter in ihren Kitas und Schulen bleiben können. Wenn in den neuen Unterkünften zum Zeitpunkt der Schließung der Container keine Plätze mehr frei sein sollten, würden diese Familien in andere Bezirke ziehen müssen. Und ich habe es generell eben schon gesagt: Container bieten keinen angemessenen Wohnraum.

In Lankwitz regt sich die CDU darüber auf, dass in der Leonorenstraße nicht nur Flüchtlinge eingezogen sind, sondern auch wohnungslose Menschen untergebracht werden. Werden da zwei soziale Gruppen gegeneinander ausgespielt? Wenn ich Wohnraum für 400 Menschen habe, kann ich nicht nachvollziehen, warum es für eine Nachbarschaft wichtig ist, ob der Mensch aus Spanien, aus Syrien, aus Afghanistan, aus England, aus Bulgarien oder aus dem Wedding kommt. Für uns im Deutschen Roten Kreuz ist wichtig, dass wir nach dem Maß der Not helfen. Dort, wo die Not am größten ist, muss den Menschen geholfen werden – unabhängig von Herkunft, politischer Überzeugung oder Religion. Natürlich muss man das Zusammenleben von Menschen managen; dazu sind an diesen Standorten Sozialarbeiter vorgesehen.

Sie finden es also richtig, dass freie Wohnplätze auch an Obdach- und Wohnungslose vergeben werden? Auf jeden Fall. – Interview: Boris Buchholz
+++
Diesen Text haben wir dem neuen Tagesspiegel-Newsletter für den Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf entnommen. Den kompletten Newsletter für den Südwesten Berlins (mit Kiez-Debatten, Tipps und Terminen) gibt es unkompliziert und kostenlos hier: leute.tagesspiegel.de.